Inter - Design als (interkultureller) Prozess
Notiz, 16.06.2016
von: Patrick Ritter
Interkultur = Miteinander dazwischen?
Wie kann man ein Logo entwickeln, das der transitorischen Identität der interkulturellen Praxis selbst und dem gleichnamigen Kulturprogramm im Ruhrgebiet entspricht? Manuel Bürger initiierte einen Workshop, in dem gemeinsam mit neuen und weniger neuen Bewohner*innen des Ruhrgebiets ein erstes Set von Logos erarbeitet wurde. Von Beginn an suchte das Team nach Möglichkeiten, das Auftreten von Interkultur Ruhr in der Öffentlichkeit als Gasthaus zu praktizieren - für verschiedene Sprachen und Begegnungen mit diversen Formen und Positionen.
Wir luden also Mitbürger*innen aus Bochum, Essen, Mülheim und Dortmund als Schrift- und Sprachexpert*innen, als Kenner*innen und Nutzer*innen ihrer jeweils ersten (teils auch zweiten) nicht-deutschen Schrift und Sprache ein. Damit ernannten wir sie zwar einerseits zu Vertreter*innen ihres Sprachraums und ihrer Kultur, andererseits aber legte die kulturelle Heterogenität der Gruppe und bereits die hybriden Selbstbeschreibungen einiger Teilnehmer*innen nahe, dass eine Bestimmung dieser inter-ethnischen Beziehungen immens komplex ist.
Ausführlich diskutierten wir im Dortmunder U einen Tag lang die Frage nach der Übersetzbarkeit der Vorsilbe "Inter" (lateinischer Herkunft und Schrift). Gesprochen wurde vornehmlich in Englisch (lingua franca) und Deutsch. Übersetzt wurde in Arabisch, Armenisch, Farsi, Georgisch, Griechisch und Koreanisch. In einem ersten Schritt sollte ein geeigneter Begriff oder ein Wortteil in der jeweiligen Sprache der Teilnehmer gefunden werden, der sich für die beschriebene Bedeutung nutzen und mit dem Begriff oder der Idee von Interkultur verbinden lässt. Eine "Kultur des Austauschs" (Kultur = Praxis) ist wohl die bessere Bezeichnung und der passendere Inhalt für eine angestrebte Praxis, die Raum für Erzählungen über unterschiedliche und gemeinsame, generell menschliche Kulturtechniken, Sprachen, Erfahrungen, Ästhetiken und Raum für eine Aushandlung von Vorstellungen über "das Soziale" eröffnet.
Das vermeintlich geradlinige und technische Präfix "Inter" beschreibt in erster Linie eine Austauschbeziehung zwischen mindestens zwei Positionen. Als "dazwischen" benennt es in vielen Sprachen prekäre Zustände wie den Transit, den Un-Ort, die Temporalität - kurz: das Sitzen zwischen den Stühlen. Im Laufe unserer Gespräche über Übersetzungsmöglichkeiten und utopische Fantasien einer diversen Gesellschaft entwickelten und erkundeten wir also andere Begriffe: Sollten wir Nationen, Grenzen und Kulturen nicht eher "überwinden" (Farsi), sich "durchdringen" lassen (Griechisch) oder "zusammen zusammen" (Koreanisch) denken?
Worüber man (nicht) sprechen kann…
Der zweite Teil der Aufgabe war eine ästhetische Herausforderung. Das jeweils gefundene Wort sollte mithilfe von Buchstaben aller Schriftarten der Welt neu zusammengesetzt werden. Limitiert war die Auswahl der Schriftsysteme und Zeichen durch die Wahl des Schriftsatzes Arial Unicode, der die meisten großen Schriftsysteme der Welt beinhaltet. Das Ergebnis sollte in der eigenen Schrift und Sprache lesbar bleiben und gleichzeitig aus vielen schriftfremden Zeichen bestehen, die gegebenenfalls nur zufällig politische oder kulturelle Bezüge darstellen. Was passiert, wenn beispielsweise türkische Schriftzeichen im armenischen Logo auftauchen? Oder japanische Schriftzeichen die koreanischen bewohnen? Was hier eher zufällig entstanden ist, könnte ein Schwerpunkt für die Entwicklung des nächsten Sets werden - und die Fortsetzung der Diskussion.
Im Folgenden finden sich Deutungen und Erklärungen der Autoren zu den entstandenen Logos.