knowbotiq: AMAZONIAN FLESH
An mehreren Orten im Ruhrgebiet hat die digital organisierte Logistikindustrie den Platz der alten Schwerindustrie eingenommen. Wie in der Kohleförderung und Stahlproduktion vergangener Zeiten arbeiten auch in den modernen Logistikzentren Menschen mit sehr unterschiedlichen Herkünften, Geschichten und Erfahrungen zusammen. Die Organisation von Arbeit hat sich durch digitale Technologien (z.B. Robotik, Tracking, Feedbackschleifen) und immer selbstständiger agierende Maschinen (z.B. Bots, künstliche Intelligenzen) jedoch sehr verändert.
Die Künstler*innengruppe knowbotiq lädt gemeinsam mit Expert*innen aus Kultur, gewerkschaftlicher Arbeit und Wissenschaft ein zu einer Erkundung der neuen logistischen Landschaften im Ruhrgebiet und neuen Formen von Arbeit in einer algorithmisierten Wirtschaftswelt. Vom konkreten lokalen Beispiel des Dortmunder Logistikparks Westfalenhütte ausgehend werden an drei Stationen aktuelle und mögliche künftige Formen von Arbeitskampf, Solidarität und Muße diskutiert sowie eine Gesellschaft nach der Lohnarbeit thematisiert und künstlerisch fabuliert, die sich mit der Automatisierung und Digitalisierung eröffnet.
Am Samstag, den 24. November 2018, findet ein umfangreicher Veranstaltungstag statt. Die Ausstellung ist vom 23. bis zum 25. November 2018 in the black frame Dortmund zu sehen: Eröffnung Fr., 18 Uhr; Sa. 12–20 Uhr; So. 12–18 Uhr.
PROGRAMM AM 23. UND 24. NOVEMBER 2018
the black frame, Westfalenhütte, Schauspielhaus / Studio Dortmund
Freitag, 23. November 2018
Amazonian Flesh – how to hang in trees during strike
18:00 Uhr Eröffnung der Ausstellung von knowbotiq
Adresse: the black frame, Hoher Wall 15, 44137 Dortmund-Mitte
Die Künstler*innengruppe knowbotiq untersucht in einer begehbaren Installation, wie algorithmische Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen und Kund*innen in logistische Körper und Prozesse verwandeln, und erkundet, welche Freiräume und Praktiken des Unmittelbaren, des Unmessbaren und nicht-optimierbaren Kollektiven wir uns für den Arbeitskampf 4.0. schaffen können. knowbotiq spekuliert und fragt, ob sich für diesen Kampf künftig auch Bots und künstliche Intelligenzen – die eine immer wichtigere Rolle in dieser Wertschöpfungskette spielen – mit den Menschen solidarisieren würden.
Samstag, 24. November 2018
Amazonian Flesh – Black Box Plattform
13:00 Uhr Tour durch den Logistikpark Westfalenhütte
Treffpunkt: Bushaltestelle "Westfalenhütte" (Linie 416), Dortmund-Nordstadt (Nähe Borsigplatz)
Gemeinsamer Besuch des Logistikparks Westfalenhütte mit Erläuterungen und Kommentaren zum sozialen und arbeitspolitischen Strukturwandel durch die Logistik mit Karsten Rupprecht (ver.di), Moritz Altenried und Manuela Bojadzijev (Leuphana Universität Lüneburg), knowbotiq (Yvonne Wilhelm und Christian Huebler), Jochen Becker (metroZones).
Onlinehändler wie Amazon bestehen aus einem Verbund von Programmcodes, Herstellerfabriken, Warenverteilzentren und der sie verbindenden Logistik. Die urbanen Lieferketten sehen wir, weil ihre Lieferwagen die Straßen verstopfen, doch der Rest findet hinter verschlossenen Türen von Datenzentren, Containern oder Fulfillment-Centern statt. Was verbirgt sich hinter diesen "Black Boxes", und welche Arbeit haben die Menschen dort zu verrichten?
Amazonian Flesh – how to hang in trees during strike
16:00 Uhr Besuch der Ausstellung von knowbotiq
Adresse: the black frame, Hoher Wall 15, 44137 Dortmund-Mitte
Amazonian Flesh – Goldene Zukunft, vollautomatisiert und schwarz-weiß gemalt
20:00 Uhr Diskussionsabend & kurzer Filmbeitrag von knowbotiq, Schauspielhaus Dortmund/Studio
Adresse: Hiltropwall 15, 44137 Dortmund-Mitte
Algorithmische Unternehmen wie Amazon sind die Speerspitze der neuen Arbeitsverhältnisse in der digitalen Wirtschaft. Jede Bewegung, jeder Wunsch wird erfasst, ausgewertet und optimiert. Die Grenzen zwischen arbeitenden Körpern und Maschinen verschwimmen. Sie sind einfach Bestandteile einer sich dauernd ändernden Matrix der Wertschöpfung und Ausbeutung. Wer keine Höchstleitung bringt, der fliegt raus. Gleichzeitig sind solche Unternehmen offen für Menschen, die sonst kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.
Während die einen das Ende der Arbeit durch Automatisierung und die Knechtschaft unter dem Roboter fürchten und bekämpfen, ersehnen andere den „vollautomatischen Luxus-Kommunismus“, der uns bedingungsloses Einkommen verspricht. Ist der Mensch nur als Arbeitender zu denken, oder könnte man gerne auf all die „Bullshit Jobs“ verzichten, wenn denn der von den Maschinen produzierte globale Reichtum gerecht verteilt würde? Und was macht der Plattform-Kapitalismus eigentlich mit uns?
Mit Moritz Altenried (Leuphana Universität Lüneburg, Centre for Digital Cultures), Jochen Becker (metroZones – Center for Urban Affairs), Manuela Bojadzijev (Leuphana Universität Lüneburg & Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung), Clemens Melzer (FAU, Deliverunion), knowbotiq (Künstler*innengruppe)
Eintritt frei zu allen Veranstaltungen.
Die Künstler*innengruppe knowbotiq (Yvonne Wilhelm und Christian Hübler) experimentiert mit Formen und Medialitäten von Wissen, politischer Repräsentation und ‚epistemischem Ungehorsam‘. In ihren Projekten untersuchen und aktualisieren sie Landschaften des Politischen mit besonderem Augenmerk auf algorithmischer Gouvernementalität, Ökonomien des Affekts und postkolonialer Gewalt. knowbotiq unterrichten und forschen an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). www.knowbotiq.net
Moritz Altenried arbeitet am Centre for Digital Cultures (CDC) der Leuphana Universität Lüneburg in einem Forschungsprojekt zu Plattformarbeit und Mobilität. Seine Forschungsinteressen beinhalten unter anderem Digitalisierung, Arbeit, Migration und Logistik.
Jochen Becker (Berlin) arbeitet als Autor, Kurator sowie Dozent und ist Mitbegründer von metroZones | Center for Urban Affairs sowie der initiative urbane kulturen. Zuletzt kuratierte er ‚Chinafrika. under construction’, steirischer herbst, Graz, 2015 & 2016, Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, ‚Chinafrika. mobile’, Kunstfest Weimar 2017, ‚Chinafrika. blackout’, Shenzhen Bi-City Biennale of Urbanism/Architecture 2017/18 sowie jüngst die Konferenzen ‚Stadt als Fabrik’ (FFT Düsseldorf) und ‚Stadt als Byte’ (HAU Berlin). www.metroZones.info
Manuela Bojadzijev ist Professorin für Globalisierte Kulturen an der Leuphana Universität Lüneburg und Vize-Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität. Sie beschäftigt sich seit Längerem mit Logistik, Digitalisierung und Arbeit, vor allem in Hinblick auf Migration und veränderte Mobilitätspraktiken.
Clemens Melzer lebt in Berlin und arbeitet als Verlagsmitarbeiter und Stadtführer. Seit mehreren Jahren ist er aktives Mitglied der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) Berlin, hat als Pressesekretär die internationale Deliverunion-Kampagne von Essenslieferdienstfahrer*innen unterstützt und engagiert sich in der Kultur- und Mediensektion für Kolleg*innen aus der Kreativbranche. https://deliverunion.fau.org
Karsten Rupprecht lebt in Dortmund und war von 2014-2015 als Projektsekretär für den Amazonstandort in Werne zuständig, um dort Gewerkschaftsstrukturen im Betrieb aufzubauen. Seit 2015 ist er als Gewerkschaftssekretär für den Einzelhandel in Dortmund zuständig. Vor seiner Zeit als Gewerkschaftssekretär arbeitete er im Einzelhandel und vertrat dort die Interessen der Beschäftigten als Betriebsratsvorsitzender und als Mitglied im Konzernbetriebsrat. Er ist außerdem ehrenamtlicher Richter am Dortmunder Arbeitsgericht.