„Kunst ist eine kreative Plattform, um sich zu äußern und Veränderungen zu bewirken.“ Künstlergespräch mit Mohamed Altoum
„Kunst ist eine kreative Plattform, um sich zu äußern und Veränderungen zu bewirken.“ Künstlergespräch mit Mohamed Altoum
Auf seiner langjährigen künstlerischen Reise folgt der sudanesische Künstler Mohamed Altoum den Migrantengemeinschaften der Nubier und stellt die kulturellen Praktiken dar, die sich im täglichen Leben aus persönlicher Perspektive zeigen. Die antike Zivilisation des nubischen Volkes hat eine riesige Geschichte mit einer aktuellen Diaspora in ganz Ostafrika als Ergebnis der Umsiedlung.
Auf dem Afro Ruhr Festival 2019 präsentierte Altoum Bilder und Videoarbeiten aus dieser Serie, gefolgt von einem Gespräch über den Hintergrund seiner Kunst. Als in der Stadt ansässiger Künstler von Urbane Künste Ruhr in Zusammenarbeit mit der Silent University und dem Ringlokschuppen Ruhr in Mülheim schafft er mit vielfältigen künstlerischen Methoden Wissen über die komplexe Geschichte des Sudan in der Region Ruhr. Während des Gesprächs bei Afro Ruhr entstand eine interessante Konversation über die Möglichkeiten kritischer Kunst im afrikanischen Kontext, die wir im folgenden Interview mit dem facettenreichen Künstler vorstellen und teilen möchten. Das Gespräch führte Johanna-Yasirra Kluhs.
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Können Sie sich bitte kurz vorstellen? An welchem künstlerischen Projekt arbeiten Sie derzeit?
Mein Name ist Mohamed Altoum. Ich bin ein bildender Künstler aus dem Sudan. Grundsätzlich und derzeit arbeite ich hauptsächlich als Filmemacher und Fotograf, habe aber auch andere Erfahrungen mit Mixed Media und verschiedenen Arten von Videokunst. Ich versuche, meine Wahrnehmung der Welt durch visuelle Inhalte und Erzählungen zu offenbaren. Meine Arbeiten wurden auf zahlreichen Ausstellungen in Afrika, Europa und im Nahen Osten sowie in zahlreichen Magazinen und Kunstplattformen gezeigt.
In meinem neuen Projekt geht es um die Erwartungen von Einwanderern und Geflüchteten, die von verschiedenen Orten nach Europa kommen und auf viele Dinge hoffen. Diese Menschen und ihre Erwartungen haben einen starken Einfluss auf diese erstklassigen Länder. Welche Herausforderungen ergeben sich aus dieser Situation? Und was erwarten die Europäer von den Menschen anderer Länder? Diese Fragen interessieren mich ebenso wie der Ländervergleich. Vor allem in Fragen der Organisation in sozialen Klassen. Mein Projekt reflektiert das Thema sozialer Gerechtigkeit und Ökonomie, Architektur und Identität, indem es die Erwartungen verschiedener Menschen mit unterschiedlichn Hintergründen untersucht.
Warum und wo haben Sie angefangen, Ihre künstlerische Arbeit mit der Geschichte Ihrer Vorfahren und Ihrer Familie zu verbinden?
Die alte Zivilisation des nubischen Volkes hat eine riesige Geschichte mit einer Diaspora in ganz Ostafrika als Folge der Umsiedlung. Im ursprünglichen Sudan und in Ägypten, aber auch in Kenia oder Uganda gibt es große Gemeinschaften von Nubiern. Mein Projekt soll einen Blick auf die Migrantengemeinschaften der Nubier werfen und die kulturellen Praktiken aufzeigen, die sich im täglichen Leben aus persönlicher Sicht zeigen. Ich habe sie in Ägypten, im Sudan und in Kenia entdeckt.
Als ich mich entschied, dieses Werk aufzubauen, um etwas zu entdecken, das ich vermisst hatte, ergab sich automatisch eine Untersuchung der Beziehung zwischen mir und meiner Familienidentität und meinen Wurzeln. Ich möchte eine Erklärung abgeben und diese Gemeinschaften in diesem Bereich in den Mittelpunkt stellen. Durch diese Sichtbarkeit versuche ich auch, etwas zu verändern. Es ist auch eine persönliche Reise. Auf dieser Reise packt mich die Sehnsucht und ich schwelge in Erinnerungen, die meine vergangenen Zeiten wiederaufleben lassen. Ich habe Orte und Geschichten von Menschen gefunden.
Sie setzen unterschiedliche künstlerische Mittel ein – wie sind Sie zu diesem multidisziplinären Ansatz gekommen?
Ich denke, es geht insgesamt darum, etwas zu entdecken und zu experimentieren, was mich in meiner Art und Weise vielfältiger macht. Die künstlerische Arbeit lässt mich immer wieder neue Dinge ausprobieren, um aufgeschlossener und neugieriger zu werden. Dafür interessiere ich mich leidenschaftlich. Es lässt mich als Künstler wachsen und weiterentwickeln. So bin ich in der Lage, aus diesen Erfahrungen zu lernen.
Was kann Kunst Ihrer Meinung nach in Situationen der Unterdrückung, der Krise und des Konflikts tun, insbesondere im Kontext der Politik des afrikanischen Kontinents?
Ich glaube, dass alle Künste dazu beitragen können, dass sich Kunst und Kultur insgesamt auf Politik, Alltag, soziale Fragen und die Entwicklung von Menschen und Nationen auswirken. Die Verantwortung, hier Werke zu schaffen, hat einen Wert. Sie löst Bewegung aus, als kreative Plattform, um sich zu äußern und Veränderung zu schaffen.
Welche Hoffnungen hegen Sie für die Zukunft einer sudanesischen Gesellschaft?
Der Kampf dauert noch an und wir werden noch die volle Veränderung miterleben, die auf dem Weg ist. Ich glaube, dass die Menschen im Sudan und im sudanesischen Staat diese Übergangsphase friedlich überwinden, um die Stabilität des Staates und das Wohlergehen der Menschen zu ermöglichen.
Mohamed Altoum ist bildender Künstler, Fotograf und Kameramann. Er stammt aus dem Sudan. 2017 wurde er für den Contemporary African Photography Prize nominiert und gewann in den Jahren 2016 und 2017 zwei Auszeichnungen als Visual Artist in der Kategorie Storytelling. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen sowie bei Festivals in Afrika, Europa und Großbritannien gezeigt und in vielen Medien wie Al-Jazeera, CNN Afrika oder BBC Africa gefeatured. Altoum engagiert sich in verschiedenen Organisationen, um bildende Kunst in Afrika zu fördern. In seinen Arbeiten verarbeitet er seine Wahrnehmung der Welt und seine persönlichen Erfahrungen und kombiniert ausgewählte visuelle Eindrücke mit Storytelling.
Mohamed Altoum ist 2018/19 als Resident Teil des Programms “Zu Gast bei Urbane Künste Ruhr” in Kooperation mit der Silent University in Mülheim an der Ruhr.