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Tür an Tür mit den ´Hippies`. Ein Sommertag in der RIWETHO Arbeiter*innensiedlung in Oberhausen

Familie in der RIWETHO-Arbeiter*innensiedlung in Oberhausen

Tür an Tür mit den ´Hippies`. Ein Sommertag in der RIWETHO Arbeiter*innensiedlung in Oberhausen

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Interkultureller Kalender 2020

Der Interkulturelle Kalender feiert die einzigartige Vielfalt des Ruhrgebiets. Mit der Sonderedition des Jahres 2020 stellen wir jeden Monat interkulturelle Akteur*innen vor und laden zu Veranstaltungen an besonderen Orten ein. Im Juli steht die RIWETHO Arbeitersiedlung in Oberhausen im Mittelpunkt: Fatma Uzun hat mit Anwohner*innen gesprochen.

*Das Gespräch wurde in türkischer Sprache geführt*

An einem sehr heißen Tag im Juli lernen wir Elif und ihren Ehemann Izzet kennen. Elif bringt gerade den Müll heraus, als wir an den Denkmalgeschützen Häusern an der Ripshorster Straße entlang gehen. Sie trägt ein locker um den Kopf gebundenes Kopftuch, einen langen geblümten Stoffrock und ein langarmiges Oberteil. Nach ein paar kurzen Sätzen zur Begrüßung bietet sie uns einen türkischen Tee oder einen deutschen Kaffee an. Als deutschen Kaffee bezeichnet sie lösliches Kaffeegranulat, das mit heißem Wasser aufgebrüht wird, wie sich später herausstellt. Bevor wir die Wohnung betreten, ziehen wir die Schuhe aus.

Elif bittet uns herein, wo uns auch ihr Ehemann Izzet empfängt. Wir setzen uns in Wohnzimmer. Der Tisch wird mit Nüssen und Keksen gedeckt. An den Wänden des Wohnzimmers hängt ein Bild der Kaaba und viele Familienbilder. Darunter auch ein Bild von Izzets Vater mit Jackett und Krawatte, der in seinem Geburtsort als Pförtner in einem Krankenhaus beschäftigt war. Izet hat bis zu seinem Ruhestand bei Thyssen Krupp gearbeitet, was ihn auch nach Oberhausen führte. Seine Frau Elif folgte ihm. Elif ergänzt, dass sie seit 45 Jahren gemeinsam in diesem Haus leben. Es war ihr erstes Zuhause als sie nach Deutschland kamen. Auch ihr erstes Kind hat sie dort zur Welt gebracht. Insgesamt haben sie drei Töchter und einen Sohn. Bald erwarten sie den ersten Urenkel, weswegen sie die Sommerferien in Deutschland verbringen.

Später am Tag lernen wir eine weitere Familie aus der Türkei kennen, die ein paar Häuser weiter wohnt. Auch sie leben schon seit Jahrzenten in der Siedlung und sind Zeugen und Akteure ihrer wechselvollen Geschichte. Der Bau der RIWETHO Siedlung wurde 1889 mit acht Häusern an der Ripshorster Straße begonnen und über die Jahre erweitert. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Siedlung teilweise zerstört und nicht wieder aufgebaut.

In den 1960er Jahren übernimmt der Thyssen-Konzern die Siedlung und bringt dort u.a. aus der Türkei angeworbene Arbeitskräfte unter, die zum Teil bis heute dort leben. Gegen Abrisspläne der Siedlung gründet sich die Bürgerinitiative „Rettet die Ripse“ – mit Erfolg. In der 1980er Jahren wird der Mieterverein RIWETHO e.V. gegründet und ein langer Häuserkampf beginnt.

Am 28. Juni 2001 kaufen die Aktivist*innen dem Thyssen Konzern die Siedlung ab und gründen eine eigenverwaltete Wohnungsgenossenschaft u.a. mit lebenslangem Wohnrecht für alle Anwohner*innen. Auf die Frage zu ihrer Beziehung zu den Nachbar*innen in der Genossenschaft findet Izzet klare Worte: „Wir wohnen hier Tür an Tür mit den ´Hippies´ und wir haben nie schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht.“

Die gedruckte Auflage des Interkulturellen Kalenders 2020 ist leider vergriffen. Eine digitale Version (pdf) zum Herunterladen gib es > hier.

Der Interkulturelle Kalender des Ruhrgebiets empfiehlt jeden Monat eine besondere Veranstaltung. Am 9. Juli lädt das Buddhistische Zentrum in Essen zur Feier der ersten Lehrrede des Buddha ein. Weitere Informationen > hier.

Familie in der RIWETHO-Arbeiter*innensiedlung in Oberhausen
Familie in der RIWETHO-Arbeiter*innensiedlung in Oberhausen
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