Die Arbeit an einer offenen Gesellschaft macht keine Pause. Interkultur Ruhr zur Stunde
Die Arbeit an einer offenen Gesellschaft macht keine Pause. Interkultur Ruhr zur Stunde
Ihr arbeitet weiter – vielleicht sogar mehr als zuvor und unter noch weniger klaren finanziellen Bedingungen. Die aktuelle Situation lässt erkennen, dass migrantisierte Körper einen Großteil der noch sichtbaren Arbeit verrichten. Sei es als Verkäufer*innen, Pfleger*innen, Logistikdienstleister*innen, Taxifahrer*innen, Bauarbeiter*innen. Und auch die Arbeiter*innen in der Fabrik produzieren weiter. Ihre Tätigkeiten erweisen sich jetzt als systemrelevant. Das Rechercheprojekt "Akkordarbeit im halbverbrannten Wald" der Künstler*innen Nesrin Tanç, Silvia Dierkes und Mizgin Bilmen erhält auf diese Weise ebenso prägnante Aktualität wie die Online-Proben des Transnationalen Ensemble Labsa. Ihre Arbeit ist wichtig und muss fortgesetzt werden – gerade jetzt.
Es zeigt sich, wie relevant auch die anti-rassistischen Diskurse von Initiativen wie Duisburg 1984 oder des Kuratorischen Teams, bestehend aus Mohamed Altoum, Fatima Çalışkan, Megha Kono-Patel, Alexis Rodríguez und Miriam Yosef, mit dem wir für das Festival RUHR INTERNATIONAL zusammenarbeiten, heute sind: Es braucht kritisch-qualifizierte Korrektive für die Markierung rassistischer Strukturen in Alltag und Regelsystemen – gerade wenn ordnungspolitische Maßnahmen sich verstärken.
Ebenso wichtig finden wir, den Blick auf die besonders verletzbaren Gruppen in einer Zeit der Prekarisierung nicht zu verlieren. Nicht nur obdachlose Mitbürger*innen sind zurzeit besonders auf sich selbst zurückgeworfen. Auch ohnehin bedrohte Einwander*innen aus Südosteuropa haben es noch schwerer als zuvor. Wir sind froh, dass die Kolleg*innen von Romano Drom aus Hagen weiterhin festhalten an ihrer Arbeit – und mit ihnen viele andere unterstützende, selbstverantwortliche Organisationen.
Porträts einiger engagierter Initiativen bietet unser Interkultureller Kalender: Hier werden viele Akteur*innen vorgestellt, die kontinuierlich an einer offenen, pluralistischen und gleichberechtigten Gesellschaft arbeiten. Monatlich erscheinen in den Notizen auf unserer Website längere Gespräche mit ihnen.
Als “Akkordarbeiter*innen im Home Office” (nach einem Bonmot von Nesrin Tanç) versuchen auch wir den Überblick zu behalten über das, was uns aktuell umgibt. Auf Hochtouren arbeiten wir daran, alle Verabredungen für dieses Jahr einzuhalten und ggf. nach neuen Formen zu suchen. Wir überarbeiten unsere Website. Wir wollen eure Arbeit auch jetzt in den Medien unterbringen. Und nach wie vor betrifft uns die Situation an den europäischen Außengrenzen und die schandvollen, doch leider historisch nicht singulären Geschehnisse in Hanau. Über unsere Social Media Kanäle versuchen wir euch auf dem Laufenden zu halten über das, was uns gerade beschäftigt.
Wir wünschen uns, dass das aktuelle Streben nach Strategien der Immunität eine Gesellschaft meint, die von Austausch und Verschiedenheit getragen wird. Tragt also Sorge füreinander, pflegt Respekt – und nicht die Angst. Zeugnis davon gibt eindrucksvoll die nachbarschaftliche Solidarität, die sich allerorten vermehrt. Um einen klaren Blick in unübersichtlichen Zeiten zu bewahren, braucht es ein erhobenes Haupt – und also ein starkes Rückgrat. Die Arbeit an einer offenen Gesellschaft macht keine Pause. Und Empathie kann man auch mit eingehaltenem Sicherheitsabstand üben.
Enden soll dieser kleine Kommentar zur Stunde mit einer Zukunftsprognose eines Freundes: “Dann stellt man unterm Strich am Ende fest: Wir brauchen uns.” In diesem Sinne: Wir sind erreichbar!