Afro-Tech: Ein Gemeinschaftsprojekt über technologische Innovationen und Zukunftsvisionen aus Afrika
Afro-Tech: Ein Gemeinschaftsprojekt über technologische Innovationen und Zukunftsvisionen aus Afrika
2014 besuchte Inke Arns, Künstlerische Leiterin des Hartware MedienKunstVerein (HMKV) in Dortmund, gemeinsam mit einer Kollegin Nigeria, Kenia und Südafrika. Ausgangspunkt ihrer Reise war das gemeinsame Interesse an den neuen technischen Geräten, Apps, Softwarelösungen und digitalen Produkten, die seit einigen Jahren vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung auf dem Kontinent entstehen. Hinter dieser Beschäftigung steckt die Annahme, dass das Design, die Funktions- und Nutzungsweisen von Technologien, die im „Westen“ als gegeben vorausgesetzt werden, weil sie sich auf vielen Märkten durchgesetzt haben, nur eine von vielen Möglichkeiten darstellen, Technologie zu denken. In anderen Weltgegenden werden vielleicht gänzlich andere digitalen Anwendungen und Erfindungen benötigt, um auf die Bedürfnisse und Anliegen ihrer Nutzer*innen einzugehen.
Während ihrer Reise lernten die beiden Wissenschaftlerinnen zahlreiche Erfinder*innen, Maker*innen und Unternehmer*innen in Nairobi, Lagos und Johannesburg kennen, die sie einluden und einen Einblick in ihre Arbeit gaben. Ihre Erfindungen und Projekte haben zum Ziel, der Gemeinschaft ihrer Nutzer*innen im Alltag zu helfen und infrastrukturelle Probleme auszugleichen. Sie funktionieren oftmals nach Prinzipien von allgemeiner Zugänglichkeit und Open Source, die Veränderungen im Design, Umnutzungen und Weiterentwicklungen erlauben. Somit könnten sie einen Gegenentwurf zu den dominierenden technologischen Monokulturen des „globalen Nordens“ darstellen, wo die kommerziellen digitalen Plattformen immer geschlossener werden.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ruhte das Projekt eine Zeit lang und wartete auf eine Gelegenheit, etwas aus den gesammelten Erkenntnissen, Erfahrungen und Kontakten zu machen. Diese Gelegenheit bot sich Anfang 2016 durch die Gründung des Programms Interkultur Ruhr des Regionalverbands Ruhr (RVR), das sich zum Ziel gesetzt hat, jenseits der etablierten Pfade neu über Migration, Diversität und Stadtgesellschaft im Ruhrgebiet (und darüber hinaus) nachzudenken. Eine der ersten Fragen, die Interkultur Ruhr sich dabei stellte, war die nach dem Digitalen und welche Rolle es bei der Diskussion einer vielfältigen Gesellschaft heute spielt. Dabei liegt die Auseinandersetzung mit den neuen, digitalen Öffentlichkeiten nahe, mit der neuen, kommunikativen Nähe über Ländergrenzen hinweg. Johanna-Yasirra Kluhs und Fabian Saavedra-Lara, das erste Leitungsteam von Interkultur Ruhr, schlugen in ihrem Konzept jedoch einen anderen, weiter gehenden Ansatz vor, der sich vielmehr mit den kulturellen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen beschäftigt, die diese Medien hervorbringen und prägen.
Schnell beschlossen HMKV und Interkultur Ruhr, die Kräfte zu bündeln und ein großes, gemeinsames Projekt auf die Beine zu stellen. Als dritter Partner kam der Dortmunder Verein Africa Positive dazu, dessen großes Anliegen es seit seiner Gründung ist, ein differenzierteres Afrikabild in der öffentlichen Wahrnehmung stark zu machen. Auch die Vorstellung technologischer Innovationen aus dem Kontinent gehört seit jeher zu den festen Säulen dieser Agenda. Mit dem Büro medienwerk.nrw konnte schließlich ein weiterer Partner gefunden werden, der Erfahrungen in der Konzeption und Umsetzung von Konferenzen im Bereich digitaler Kultur mitbringt.
Was als Beschäftigung mit aktuellen Entwicklungen im Kontext digitaler Technologien auf dem afrikanischen Kontinent begann, wuchs im Laufe der Zeit zu einem viel umfassenderen Projekt, das von der Gegenwart ausgeht, seine Fragen jedoch nun auch, mit den Mitteln der Kunst, in die Zukunft hinein formuliert – eine andere, vielfältigere Zukunft, als die, die uns die westliche Science-Fiction zeigt.
Das Projekt Afro-Tech, so wie es Ende Oktober in Dortmund eröffnet, wirft nun in einer internationalen Gruppenausstellung im Dortmunder U – neben der Vorstellung vieler technologischer Projekte, die während der Forschungsreise und mit Hilfe von Africa Positive recherchiert wurden – einen Blick auf spekulative Zukunftsvorstellungen von Künstler*innen aus verschiedenen Ländern Afrikas, der afrikanischen Diaspora und von vielen weiteren Stimmen in den USA und Europa. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit Science-Fiction-Erzählungen und Vorstellungen von Technologie, die nach eigenen Regeln funktionieren und nicht den dominierenden Narrativen des Westens folgen. Und hier schließt sich der Kreis: Die in der Ausstellung gezeigten Erfindungen erscheinen als Beweise einer bereits begonnenen technologischen Entwicklung, die zu einer Zukunft führen könnte, die nicht auf die Konzepte von Moderne und Fortschritt des Westens beschränkt ist – eine Zukunft, die uns die künstlerischen Arbeiten in der Ausstellung bereits jetzt in Ausschnitten zeigen. Das Genre der Science-Fiction dient hierbei als ein Gefährt, mit dem man diese "anderen" möglichen Zukünfte erforschen kann. Gezeigt werden künstlerische Arbeiten aus Medienkunst, bildender Kunst, Film und Fotografie sowie Beiträge aus der Popkultur und Anwendungen aus der digitalen Kultur.
Neben der Ausstellung ist eine Festivalwoche mit Gesprächen, Vorträgen, Filmvorführungen, Performances, DJ-Sets, Konzerten und Workshops an verschiedenen Orten in Dortmund zu erleben, die zeitgleich mit der Ausstellung beginnt (20.-28.10.2017). Weitere Informationen: www.hmkv.de
Afro-Tech Fest
20.–28.10.2017
Ausstellung. Gespräche. Performances. Workshops. Filme. Musik.
Umfangreiches Festival-Programm an verschiedenen Orten: HMKV, Kino im U e.V., Union Gewerbehof, Künstlerhaus Dortmund, Rekorder, Tanzcafé Oma Doris
Eintritt frei zu allen Veranstaltungen des Afro-Tech Fests!
Afro-Tech and the Future of Re-Invention
Ausstellung im HMKV im Dortmunder U, 21.10.2017– 22.04.2018
HMKV (Hartware MedienKunstVerein) & Büro medienwerk.nrw in Kooperation mit Interkultur Ruhr und Africa Positive e.V.
Die Ausstellung wird gefördert im Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes und vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW. Die Festivalwoche wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, das NRW KULTURsekretariat International und das Kulturbüro Stadt Dortmund.