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Da fehlt doch was – Kulturarbeit in Zeiten gesellschaftlicher Vielfalt

Da fehlt doch was – Kulturarbeit in Zeiten gesellschaftlicher Vielfalt

von: 
Guido Meincke

Interkultur Ruhr zehn Jahre nach Ruhr.2010 auf den Spuren der Stadt der Kulturen 2030

„[...] die Erkenntnis, dass es sich hier nicht nur um bunte, lustige Multikultievents handelt, sondern um Kunstprodukte, die eine von Migration geprägte Gesellschaft weiterentwickeln, hat sich allgemein durchgesetzt. Das ist vielleicht der wichtigste Erfolg der Kulturhauptstadt.“ (Stefan Keim, Deutschlandradio Kultur, 2010)

Rückblick: Das Zuhause der Vielfalt als Kulturhauptstadt – „Und wo sind ‚die Migranten‘?“

2010 war das ganze Ruhrgebiet Kulturhauptstadt – eine Region, in der mehr als jede*r Vierte in der Statistik als „Mensch mit Migrationshintergrund“ geführt wird. Der Anspruch von Ruhr.2010, Menschen unterschiedlicher Herkunft zu beteiligen, stand vielfach unter dem Zeichen der Gewinnung von Menschen mit Migrationsgeschichte als Publikum. Was aber ist von Kunst und einem Kulturbetrieb zu halten, die einem so signifikanten Teil der Bevölkerung keine Repräsentanz, keine Urheberschaft, keine Ressourcen zuteilwerden lässt? Das Zentrum für Kulturforschung und die ICG Culturplan, die im Auftrag der Ruhr.2010 GmbH die Kulturhauptstadt evaluierten, kamen 2011 zu dem Ergebnis, Ruhr.2010 habe „wenig beitragen können, um im Rahmen der Kulturhauptstadt neue Formen inter- oder transkultureller Kulturpolitik einzuüben und zu vernetzen“.

Fokus: „Wir sind nicht das fünfte Rad am Wagen – sondern eines von vieren!“

Über lange Zeit gewachsene Strukturen, tradierte Schwerpunkte, gewohnte Perspektiven zu verändern, braucht einen langen Atem. Zehn Jahre nach Ende von Ruhr.2010 arbeitet Interkultur Ruhr im Sinne der Nachhaltigkeit genau an diesem Thema: Das Projekt zeigt auf, dass kulturelle Vielfalt im Ruhrgebiet Normalität darstellt und trägt dazu bei, diese Erzählung insbesondere durch die Stärkung der Akteur*innen der freien Kulturszene weiterzuentwickeln. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen allgemeinen gesellschaftlichen Situation kommt der Repräsentanz dieser Vielfalt in der Kunst- und Kulturszene eine große Bedeutung zu. Die Akteur*innen des Netzwerks Interkultur Ruhr sind eine Entdeckung wert: Ihre Kunst und ihre Kulturarbeit zeugen davon, wie unsere Gesellschaft heute ist und wie sie in Zukunft sein könnte.

Interkultur Ruhr: Hier ist die Gesellschaft der Vielen.

Seit 2016 treffen sich im Netzwerk Interkultur Ruhr regelmäßig interkulturelle Akteur*innen, Initiativen und Organisationen des Ruhrgebiets, um sich über Erfahrungen aus der täglichen Arbeit, über Anliegen, Probleme und Chancen auszutauschen. Im letzten Jahr wurden systematisch Potentiale und Bedarfe interkultureller Arbeit im Ruhrgebiet ermittelt, Ideen dialogisch weiterentwickelt, gebündelt und 2020 in Form von Kulturpolitischen Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Neben der Prekarität der freien Szene, die sich in Zeiten des Lockdowns nochmal verstärkt und viele Existenzen gefährdet, zählt die mangelnde Sichtbarkeit und Anerkennung in der Kulturberichterstattung zu den chronischen Problemen. Umso mehr freuen wir uns über die Initiative der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), die eine Serie von Tobias Appelt zum Netzwerk Interkultur Ruhr publiziert, interkulturelle Initiativen aus der Region vorstellt und damit einen Beitrag leistet zur öffentlichen Wahrnehmung zeitgemäßen Kulturschaffens in einer Gesellschaft der Vielen.

Bisher erschienen:

Pottporus: Power für den Hip-Hop an der Ruhr

Nesrin Tanç aus Duisburg ist auf Spurensuche in den Archiven

Labsa aus Dortmund: Offenheit ermöglicht neue Erfahrungen

 

Pottporus: Expedition Hip Hop – My Identity? Foto: Oliver Look
Nesrin Tanç. Foto: Pascal Bruns
Transnationales Ensemble Labsa. Foto: Betty Schiel
Romano Drom, Hagen. Foto: Fatih Kurceren
Katakomben-Theater Essen. Foto: Guido Meincke
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