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“Deutschland ist ein multilinguales Land.” Ein Gespräch in der Silent University

Bridget Ngencho Fonkeu, Ahmad Zedan, Omar Mohamad, Muheez Kukoyi, Delphine Ydi, Silent University, Mülheim an der Ruhr. Foto: Fatih Kurceren

“Deutschland ist ein multilinguales Land.” Ein Gespräch in der Silent University

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Interkultureller Kalender 2020

Der Interkulturelle Kalender feiert die einzigartige Vielfalt des Ruhrgebiets. Mit der Sonderedition des Jahres 2020 stellen wir jeden Monat interkulturelle Akteur*innen vor und laden zu Veranstaltungen an besonderen Orten ein. Im Februar steht die Silent University Ruhr im Mittelpunkt, ein Treffpunkt für geflüchtete Akademiker*innen, die ihre Expertise pflegen und weitergeben wollen. Eines der großen Themen, die hier verhandelt werden, ist die Multilingualität.

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Muheez Kukoyi (MK): Wenn man mehrere Sprachen beherrscht, öffnet man sehr viele Türen. Und wenn man das jetzt politisch betrachtet, sagen wir Migration: Die haben ja die Grenze geöffnet und dadurch haben die Einheimischen hier eine neue Sprache kennengelernt, sich auch verbessert. Also sie nehmen, sie versuchen halt mit diesen neuen Leuten in Kontakt zu kommen, indem sie ihre Sprache ein bisschen, etwas lernen, damit man sich versteht, weil, ohne Sprache hat man eine Grenze.

Bridget Ngencho Fonkeu (BNF): Es gibt es immer eine Verbindung zwischen Sprache und Kultur. Und wenn man multi Sprache und Mehrsprachigkeit spricht, dann spricht man von Multikultur. Man muss ein bisschen aufpassen, weil die Grenzen unterschiedlich sind, auch weil die Erwartungen, die Möglichkeiten auch multi sind.

Delphine Ydi (DY): Ja, die deutsche Sprache ist eine Grenze. Man muss das beherrschen, um zum Beispiel zu studieren, viele Dinge hier zu machen. Das ist also meine Grenze jetzt.

BNF: Und es gibt noch einen Nachteil: für die Leute, die mehrsprachig sind zum Beispiel der Akzent. Oh, das ist ein afrikanischer Akzent, das ist keine Muttersprache. Und das wird manchmal als ein Nachteil gesehen.

MK: Meine Deutschlehrerin hat damals gesagt, dass Kinder, die hier geboren sind, die ausländische Eltern haben, irgendwie „Sprachgefangene“ sind, weil die beherrschen ja, die sprechen ja mehrere Sprachen, aber beherrschen sie nicht vollständig.

BNF: Also: German community, the German society you know officially pretends to be monolingual and monocultural. But the truth is, that it is slowly becoming multilingual and multicultural and for the society to be comfortable for everyone they must really take this seriously. For economy, politics and every aspect of life.

MK: Yeah, it's really so. Und man kann es noch genauer sehen, also dass die Jugendlichen und Kinder das schon akzeptiert haben, aber die Erwachsenen noch nicht so ganz.

DY: Also ich glaube, sie haben Angst, dass ihre Kinder Deutsch vergessen oder –

Ahmad Zedan (AZ): Ich habe jetzt zum Beispiel das Problem, dass ich manchmal ein bisschen meine eigene Muttersprache vergesse. Wenn ich zum Beispiel mit Freunden zusammen unterwegs bin und so, dann will ich mit denen auf Arabisch reden, dann vergesse ich das Wort, dann sage ich das einfach auf Deutsch.

BNF: Code-Switching.

AZ: Wenn der Lehrer uns erwischt, dann sagt er so: "Wir sind hier in Deutschland, hier wird nur Deutsch gesprochen."

BNF: Aber von einem wissenschaftlich sociolinguistic point of view wird es sich langsam ändern. Es wird ein bisschen mehr toleriert, und das heißt Translanguaging.

Omar Mohamad (OM): Auch bei den Ämtern, also ich war in Duisburg, und als ich nach Deutschland kam, bin ich zur Ausländerbehörde gegangen, um eine Frage zu stellen. Die dort haben gar kein einziges englisches Wort gesagt.

BNF: Ja, so ist es normal in der deutschen Gesellschaft. Es wird nicht akzeptiert. Nur Deutsch.

MK: Ich gehe davon aus, dass es eine Pflicht gibt für Beamte, dass die offizielle Sprache des Landes die deutsche Sprache ist. Und das sind Beamte und die haben Angst, in einer anderen Sprache mit den Leuten zu reden. Das finde ich vollkommen okay, aber sie sollen auch ein bisschen Nachsicht haben, dass man es jetzt nicht sofort beherrscht, weil wir sind ja verschiedene Menschen und wir haben verschiedene Lernfähigkeiten.

BNF: Zuerst müssen wir, muss die deutsche Gesellschaft und die Beamten akzeptieren, dass Deutschland langsam eine Multikultur und ein mulitlinguales Land wird. Und also müssen das auch die verschiedenen Orte und die verschiedenen Ämter akzeptieren. Die Migranten haben nicht so viel Schwierigkeit, akzeptiert zu werden, wenn man nicht diese Probleme mit der Sprache hat, dann ist man relaxt und man kann ganz schnell die deutsche Sprache auch lernen.

MK: Helfen oder sagen: „Ja, du schaffst das. Du musst dich einfach nur ein bisschen mehr anstrengen", und so weiter. Nicht dass man sagt: "Ja, du bist das und das." Nicht noch schlimmer machen, sondern einfach Verbesserungsvorschläge machen oder helfen.

DY: Akzent, also den Akzent in der deutschen Sprache tolerieren. Wenn man mit Akzent spricht, sagen die anderen: "Ja, du sprichst nicht so gut Deutsch." Aber die Wahrheit ist, dass der Akzent nicht so verschwinden kann, ja weil im Alltag spreche ich vier, fast vier Sprachen, ja, und ich glaube, sie sollen das tolerieren.

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Der Interkulturelle Kalender 2020 in gedruckter Version kann hier bestellt werden. Eine digitale Version (pdf) zum Herunterladen finden Sie hier.

Der Interkulturelle Kalender des Ruhrgebiets empfiehlt jeden Monat eine besondere Veranstaltung. Am 16. Februar um 13:00 Uhr lädt die Alevitsche Gemeinde Essen zum einer gemeinsamen Hızır-Cem-Zeremonie ein. +++ ACHTUNG: Die Veranstaltung wurde vom 13. auf den 16. Februar verschoben! +++ Weitere Informationen > hier.

Silent University Ruhr
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