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FOR THE RECORD #3: Esa

Esa

FOR THE RECORD #3: Esa

von: 
Guy Dermosessian & Eva Busch

OFF THE RECORD ist eine Reihe von Listening Sessions, die sich mit globalen, außereuropäischen Musik- und Subkulturen auseinandersetzt. Sie ist 2017 aus einer Initiative von Interkultur Ruhr, Kalakuta Soul Records und der Labelmanagerin und Residentin im Programm von Interkultur Ruhr Avril Ceballos (Cómeme) hervorgegangen und wird in Kooperation mit dem atelier automatique fortgeführt.

Unter dem Titel FOR THE RECORD stellen Guy Dermosessian (Kalakuta Soul Records) und Eva Busch (atelier automatique) die Gastmusiker*innen und -DJs mit Interviews und fantastischen Mixtapes persönlich und musikalisch vor.

Die thematische Bandbreite der Veranstaltungsreihe reicht von der Sichtbarmachung vergessener oder marginalisierter Stimmen der Musikgeschichte bis hin zur Diskussion aktueller popkultureller Phänomene. Dabei spielt eine kritische Sensibilität für die sozialen und politischen Rahmungen dieser Entwicklungen eine große Rolle, vor allem in Hinblick auf die historischen Dimensionen postkolonialer gesellschaftlicher Verfasstheiten und zeitgenössischer Deutungshoheiten, Verwertungs- und Ausbeutungslogiken im Musikbereich.

Esa gehört zu den innovativsten Akteur*innen der elektronischen Clubszene Londons. Der DJ und Produzent mit südafrikanischen Wurzeln ist weltweit mit Projekten unterwegs, die kulturelle, soziale, historische, musikalische und technische Aspekte verknüpfen. Am 1. Juli 2017 war Esa bei OFF THE RECORD / Listening Session #2 im Rahmen des Afro-Ruhr-Festivals im Dietrich-Keuning-Haus zu Gast. Exklusiv für diesen Beitrag hat er einen speziellen Mix produziert:

Fangen wir das Gespräch mit dem an, was uns zuerst vereint hat – Musik. Wie würdest du die Musik beschreiben, die du spielst und mit anderen teilst? Wie hat sie sich über die Jahre entwickelt?

Vielen Dank, dass ich weiterhin an diesem wunderbaren Projekt teilnehmen darf.

Es fällt mir nicht leicht, die Musik zu beschreiben, die ich in den letzten Jahren gespielt habe, da sie so viele Einflüsse und Ursprünge hat; je mehr ich ausgrabe, desto mehr werde ich in endlosen Entdeckungen und Erkundungen der Musik hineingezogen. Aber für dieses Interview würde ich die Musik am ehesten als „global“ und vielleicht sogar „grenzenlos“ bezeichnen.

Meine Musik hat sich über die Jahre natürlich weiterentwickelt; während meines Lebens sind meine Ohren reifer geworden. Verschiedene Gefühle haben mittlerweile eine tiefgründigere Bedeutung und es wird klar, dass Musik ein Ventil bietet und den Verlauf meines Lebens abbildet.

Du siehst dich als DJ. Was bedeutet das für dich?

Ich bin in Kapstadt in Südafrika aufgewachsen und meine ersten musikalischen Erinnerungen von DJs waren, meinem Vater und meinem Cousin dabei zuzuschauen, wie sie bei privaten Feiern und Familientreffen Platten spielten.

Seit 21 Jahren bin ich DJ und seit ungefähr 10 bis 15 Jahren mache ich es beruflich. Es ist für mich definitiv eine neugewonnene Freiheit geworden, aufgeschlossen und aufmerksam zu sein. Ich mache mich frei davon, mich als DJ nur auf eine Art und Weise ausdrücken zu müssen und lasse es zu, wie ein*e Maler*in, ein Bild mit einer Geschichte zu malen und werde dadurch Teil einer Reise, meiner Musikreise und das macht es für mich zu etwas besonderem.

Inwiefern reagiert deine Arbeit auf bestehende und hegemoniale Gewohnheiten des Musikhörens und -konsums?

Meiner Erfahrung nach, indem ich tiefgründige und umfassende Gespräche über Musik führe. Dies spielt vielleicht eine größere Rolle als ich anfangs dachte. Ich verstehe langsam, dass die Verknüpfungen, die durch die Recherchen und endlosen Musikentdeckungen, von denen ich erzählt habe, entstehen, bestimmte Teile meiner Arbeit zu bedeutsameren und lehrreichen Hörerlebnissen machen. Vielleicht habe ich das nicht von Anfang an bei bestimmten Projekten oder Ideen beabsichtigt, aber wenn ich jetzt einige Aspekte reflektiere, knüpft es wieder an das an, was es für mich so besonders macht.

Ich denke, dass wir heutzutage in einer schnelllebigen Gesellschaft leben und es durch Technologie einfacher geworden ist, Musik zu hören und zu konsumieren, was Vor- und Nachteile hat. Die Magie dahinter, wirklich rauszugehen und sich die Hände schmutzig zu machen, um diese verborgenen Schätze zu entdecken, ist für mich zu einem gewissen Grad verloren gegangen. Wir haben die Romantik verloren, Musik lässt sich so leicht entdecken und konsumieren, und dann geht’s direkt weiter.

Meine Track-Schnitte haben Wirkung, die Tracks sagen uns, was wir wissen müssen und nicht was wir von ihnen verlangen; die wirklich guten fordern ein Verständnis, das über Erklärbarkeit hinausgeht. Man muss sie auf ihre eigene Art erkennen und hören.

Wie stellst du dir einen Ort vor, an dem Leute zusammenkommen und Musik zelebrieren können?

Das ist im Moment eine sehr schwierige Frage, da sich in so kurzer Zeit so viele Dinge drastisch verändert haben. Wir haben jetzt angefangen, neue Möglichkeiten zu finden, um Musik zu genießen, in der Geborgenheit unseres Zuhauses zusammen zu kommen, ohne eine Vorstellung darüber zu haben, wie es aussehen wird, wenn die Dinge langsam wieder zu einer neuen Normalität zurückkehren.

Ich vermisse am meisten die Kombination all der besonderen Momente, die an diesen Orten passieren, an denen wir Musik genießen und zelebrieren. Den richtigen Track zur richtigen Zeit zu spielen oder zu hören, die Sonnenuntergänge, der Vollmond am Horizont, der verschwitzte Keller mit den perfekt abgestimmten Soundsystemen, der Gemeinschaftssinn, das Miteinander ohne Diskriminierung und der gegenseitige Respekt für alle.

Welche Erinnerung von der Veranstaltung „OFF THE RECORD“ möchtest Du mit uns teilen?

Die Veranstaltung „OFF THE RECORD“ habe ich positiv in Erinnerung. Ich habe dort zum ersten Mal Avril getroffen, mit der ich schon jahrelang Kontakt hatte, und für Cómeme Radio habe ich meinen ersten Beitrag für eine Online-Radio-Plattform gemacht. Guy von Kalakuta Soul Records, den ich auch bewundere, hat zusammen mit einem super Team eine Listening Session für mich kuratiert, in der ich Geschichten, Musik und meine Erfahrungen mit einem Publikum teilen konnte, das normalweiser vielleicht keinen Zugang zu diesem Format hätte. Ich erinnere mich auch daran, dass ich später an dem Abend ein DJ-Set vor einem multikulturellen und diversen Publikum verschiedener Altersgruppen und Migrationshintergründe gespielt habe. Im Nachhinein habe ich herausgefunden, dass es in Dortmund eine große multikulturelle Community gibt.

Welche Gedanken stecken hinter der Auswahl, die du in deinem Set aufgenommen hast?

Es ist ein ganz besonderer Mix. Ich sehe in dieser Auswahl eine außergewöhnliche Fülle an künstlerischer Innovation in einem Format, mit dem ich mich sofort identifizieren konnte. Weniger Fokus auf Sounds für die Tanzfläche und mehr auf meine Wurzeln. Ich habe aus meiner Sammlung einige meiner Lieblinge aus dem südafrikanischen Jazz ausgewählt, darunter Ikonen der südafrikanischen Musik – Sathima B Benjamin, Hugh Masekela – und auch moderne zeitgenössische Jazz-Musiker*innen wie Shabaka Hutchings and the Ancestors, sowie ein Stück aus einer großartigen Jazz-Compilation, die bald unter dem Titel „New Horizon“ bei Afro-Synth Records erscheinen wird.

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// Biografie

Der in Kapstadt geborene, charismatische und energiegeladene DJ, begabte Produzent und hoch motivierte Pädagoge Esa Williams hat eine eigene, einzigartige und expansive musikalische Identität geformt. Als Botschafter der südafrikanischen Musikszene in der überfüllten Landschaft des europäischen Nachtlebens schöpft er Inspiration aus seinen kulturellen Wurzeln, seinen weltweiten Reisen und den Leuten, die er kennenlernt, um einen Sound zu verkörpern, der keine Grenzen kennt.

Esas Umzug nach Großbritannien war ein Auslöser für seinen beeindruckenden Musik-Output, der sich stets weiterentwickelt. Nachdem er sein Naturtalent im Auflegen unter Beweis gestellt hatte, schloss er sich den legendären schottischen DJs Harri & Domenic im Sub-Club an und produzierte danach sein Rememory Music Label. Esas globale Perspektive erweitert sich ständig. In Europa hat er viele Fans und dank seiner kreativen musikalischen Produktion und seiner Veröffentlichungen werden es immer mehr. Mit der Kuration von Bildungsprogrammen mit Fokus auf elektronische Musik in Kuba, Brasilien, Ost- und Südafrika hat er sich eine eigene Nische geschaffen. Dadurch, dass er seine Fähigkeiten teilt und andere DJs und Produzent*innen inspiriert, erweitert er auch sein eigenes Wissen.

Auf seinem monatlichen Sendeplatz bei Gilles Petersons Worldwide FM kann man hören, wie Esa die Geschichten solcher Begegnungen und die daraus resultierenden musikalischen Ergebnisse miteinander verwebt. Dem Konzept einer musikalischen Reise folgend fasziniert Esa seine Zuhörer und lädt sie ein, ihn zu begleiten, wenn er im Studio oder auf der Tanzfläche Außergewöhnliches kreiert.

http://esawilliams.com
https://soundcloud.com/esawilliams
https://www.redbull.com/gb-en/theredbulletin/dj-esa-williams-musical-evo...

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Weitere Folgen:

FOR THE RECORD #1: Ernesto Chahoud

FOR THE RECORD #2: Habibi Funk

Esa Williams mit Avril Ceballos und Guy Dermosessian bei OFF THE RECORD #2, Listening Session im DKH, Dortmund 2017. Foto: Guido Meincke
Esa Williams bei OFF THE RECORD #2, Listening Session im DKH, Dortmund 2017. Foto: Guido Meincke
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