Fünf Städte, fünf Pizzerien. Ein Reisebericht aus Pangaea Ultima
Fünf Städte, fünf Pizzerien. Ein Reisebericht aus Pangaea Ultima
Fünf Pizzerien im Ruhrgebiet backen im Sommer 2018 Pizza Pangaea – benannt nach einem möglichen Superkontinent in ferner Zukunft. Was wäre, wenn die Welt heute schon Pangaea wäre? Wolfgang Kienast ist für Interkultur Ruhr durchs Ruhrgebiet gefahren, um Pizzabäcker*innen zu porträtieren, die sich an der Aktion beteiligen. Auf der Reise hat er seine Eindrücke und Gedanken notiert.
Die Aufgabe: Fünf Pizzerien porträtieren, die an der Aktion „Pizza Pangaea“ teilnehmen. Jedes Lokal aufsuchen, ein Interview führen, Fotos machen, einen Text schreiben, jeweils etwa 1.500 Zeichen lang. Und einen Blogbeitrag verfassen.
Fünf Städte im Ruhrgebiet. Fünf Kontinente hat der Planet Erde. Ich reise, in fünf Welten einzutauchen; unterwegs meist in Bussen und Bahnen. Natürlich nicht allein. Andere Menschen sind auch unterwegs. Augen und Ohren auf.
09.07.2018
Vier Städte, vier Pizzerien, ein VRR-Tagesticket.
Dortmund Hauptbahnhof
Noch Zeit für einen Kaffee
Bahnsteig, mäßig gefüllt
Wartezeit überbrücken
In Sachen ‚Interkultur‘ unterwegs zähle ich Kopfbedeckungen: Baseball Caps (4), Kopftücher (2), Tirolerhüte (0)
09:45
Der RE 1 ist pünktlich
Richtung Essen
Ich finde problemlos einen Platz
Nachbarsitz: ein vermutlich studentisches Pärchen; Händehalten
Gespräch über Bäume und Formensprache; ich verstehe nichts
Vor mir wird Bild gelesen; „Hochsaison für Nackt-Ferkel“
Draußen: viel Grün
Graffiti: bunt
Bochum
Hier hängt Bettwäsche aus den Fenstern
Viel Lila im Grün; massives Auftreten von Sommerflieder am Bahndamm
Angeblich sind die Blüten der ansonsten leicht giftigen Pflanze essbar; muss ich mal probieren
10:07
Ankunft Essen Hauptbahnhof
Am Bahnsteig 4 der Tram flippert die Anzeigetafel Abfahrtzeiten
An einem unerwarteten Zeitpunkt fährt eine Bahn der Linie 105 ein
4 Stationen bis Essen Süd
Ich bin zu früh; flanieren
Johannastraße
Urban, gepflegt; kleine und kleinste Vorgärten
Es wird warm
Eine ältere Dame spritzt per Wasserschlacht den Bürgersteig ab
Kreischende Kinder
Freibad? Vermutlich eher (Grund?-) Schule
Kaufhalle Thomas; klassisches Büdchen
Grundversorgung im Notfall gesichert: Leuchtreklamen für Stauder, Diebels, Dortmunder Union
Vöcklinghauser Straße, eine Fahrradstraße
Jugendstilfassaden
Rock‘n‘Roll-Läden
Kroatische Flaggen in den Fenstern; die Kroaten stehen seit Samstag im Halbfinale der WM
Vor einer Kirche eine Bank auf dem Bürgersteig
Noch 15 Minuten
Mäßiger Verkehr; nur wenige Passanten
CASA DELLA PIZZA – Interview
Auf dem Weg zurück zum Bahnhof: Schulkinder; afrikanisch, arabisch, türkisch
Brombeeren an der Rampe zum Bahnsteig Essen Süd, Gleis 2; lecker
12:09
Gleis 2, S6
Im Zug wimmelt es von Schülerinnen und Schülern; Stehplatz
Laut
Alle Hautfarben, alle Frisuren
HipHop aus Smartphones
Die Kids rappen dazu live und textsicher
12:22
Ankunft Essen Hbf, Gleis 12
Weiterfahrt mit S 3, Gleis 11, gleicher Bahnsteig
Eine aufgeregte Frau, Mitte 50, spricht mich in gebrochenem Englisch an, zieht mich zum Fahrplan am Gleis, fragt nach einer Verbindung nach Dortmund, zeigt auf 12:22, Gleis 21
„Gleis 21, wo?“
Am Aufgang zum Gleis hängt ein Hinweisschild; Treppe runter, dann links
Sie eilt davon
Ich schaue genauer auf den Plan: der von ihr gewählte Zug fährt nur an Wochenenden
Ein Mann um die 30, blond, früher Haarausfall, offensichtlich bereits mehrfach gebrochene Nase, setzt sich auf den Sockel am Fahrstuhlschacht am Gleis; deutlich zu nahe und zu Füßen einer Frau mittleren Alters
Ich erwarte, dass sie ein paar Schritte zu Seite weicht; sie ist ins Smartphone vertieft; keine Reaktion
Dann meldet sich sein Phone; überraschend arabischer Klingelton; er steht auf und geht
12:36
Einfahrt S 3 Richtung Hattingen
Ab Bochum-Dahlhausen bin in nahezu allein im Abteil
Ruhrtal, schön
Enten
12:55
Hattingen Mitte
Eine Brücke Richtung Innenstadt
Ein Fahrstuhl an einem offensichtlich erst vor wenigen Jahren gebauten Einkaufszentrum
Reschop Carré; was ist das für ein Name? Ein Platz mit einem Geschäft für Rotwild? Flacher Kalauer, okay; muss ich zu Hause mal googeln
Hinter dem Einkaufszentrum beginnt die Innenstadt; Ruhrgebiet, vorindustriell und kleinteilig
Fachwerk
Ein Straßenmusikant
Ein Brunnen mit beweglichen Objekten
Sind die Menschen hier tatsächlich entspannt – oder bilde ich mir das nur ein, weil alles so ‚schnuckelig‘ aussieht?
BEI SALVATORE – Interview
13:02
Bahnsteig 7, Hattingen Mitte, ich sitze bereits in der S-Bahn, Linie 308 Richtung Bochum
Mit mir im vorderen Teil der Bahn: Kids mit Scout-Tornistern, Rollatoren-Rentner, Kopftuchmädchen, eine blonde Prinzessin, viel rosa, Jungs in Camouflage, Mütter, die sich über ihre Kids unterhalten, schlechte Tattoos, bessere Tattoos, junges Liebespaar tauscht Küsschen, wenig routiniert, eine Frau mittleren Alters mit ‚frechen‘ Strähnchen im Haar
Abfahrt; die Bahn rumpelt
Ruhrbrücke, Campinglatz
Die Straße oft nur einzeilig bebaut; freistehende Häuser
Hattinger Straße, Hausnummern über 800; sieht man auch nicht so oft
Schlosspark; Situation Kunst; da habe ich doch vor einigen Jahren mal drüber geschrieben
Ein ‚rollendes Kunstwerk‘ am Straßenrand: ein bunt bemalter Hippie-Käfer, verziert mit Nieten und Pailletten, zu einschlägigen Symbolen der Ära angeordnet
Zusteigende, Aussteigende an jeder Haltestelle; aber erst ab Kohlenstraße füllt sich die Bahn merklich
13:30
Meine Haltestelle: Schauspielhaus
Hans-Ehrenberg-Platz; Szenetypisches: Kinderwagen, Designerbrillen
‚Pizza Pangaea‘ - Schülergruppe vor der Pizzeria; Rollentausch: erst einmal werde ich interviewt
PIZZA – Interview
Ich brauche eine Pause; Eis essen
14:50
Noch zwei Stationen Linie 308 und ich bin am Bochumer Hauptbahnhof
15:19
Gleis 4, RE 6, nochmal Wattenscheid, Essen; das bin ich heute schon mal gefahren
Die Bahn ist voller besetzt als heute Vormittag
Anderes Publikum
Drückend, sehr warm; keine Lust bis Duisburg zu stehen
Ich sehe noch einen freien Platz inmitten einer Gruppe nicht mehr ganz so junger Herren
Dem Erscheinungsbild nach semiharte Altrocker: Harley-Davidson-T-Shirt, Fu Manchu-Bärte, bereits weiße Haare zum Zopf gebunden, keine Kutten
Warum fahren die Regionalexpress?
Meistens schweigen sie; überhaupt ist es still in der Bahn
Gesenkte Köpfe, Halbschlaf, dumpf
Die Altrocker sind freundliche Menschen
Mülheim, dann Duisburg
15:44
Ankunft
Zu Fuß gehen?
Brücke über die A 59; Stau Richtung Süden; Feuerwehrauto im Einsatz Richtung Norden
Eine Brache an der Mercatorstraße: Steinklee, Gelber Wau, Schafgarbe, Brombeeren, Labkräuter, Brennnesseln
Müde
Doch nur bis zur nächsten Haltestelle: Kremerstraße U79
Eine Station bis Karl-Jarres-Straße
PIZZERIA PORTOFINO – Interview
Auf dem Weg zurück zur U-Bahn hält ein Bus: Linie 921 Richtung Hauptbahnhof
Bus hatte ich heute noch nicht
Angenehm leer und kühl
Arabisch klingende Gesprächsfetzen
Habe ich das im Augenwinkel richtig gesehen: ein Friseurladen mit Namen ‚Strukturwandel‘?
Wortspielhölle
Hauptbahnhof
Züge mit Verspätung; beinahe hätte ich gedacht: endlich
Dass man die Infrastruktur auf einer ‚Pangaea Ultima‘ nicht der Deutschen Bahn überlassen sollte, wollte ich schon immer in den Text einbauen, nur: bislang hatte alles ganz geschmeidig geklappt
30 Minuten Verspätung für den RE 1 sind angekündigt
Weitere Zugausfälle und Verspätungen
Besser gleich den RE 11 um 17:57 nehmen
Kommt
18:37
Noch wenige Minuten bis Dortmund
10.07.2018
Eine Stadt, eine Pizzeria, ein Fahrrad.
DA GEANNI hatte gestern Ruhetag
Hätte ich sowieso nicht mehr geschafft; platt
Also heute
Mit dem Fahrrad quasi in die Nachbarschaft
Unionviertel
Trotz Hype ums Viertel noch immer ausgesprochen ‚normal‘ und bodenständig
Asia-Läden
Enge Straßen
Noch ruhig am Vormittag
10:00
DA GEANNI – Interview
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Pizza Pangaea
Was wäre, wenn alle Kontinente zu einer großen Platte verschmelzen würden? Forscher schätzen, dass es in 250 Millionen Jahren so weit ist. Pangaea Ultima wird der zukünftige Superkontinent genannt. Fünf Pizzabäcker*innen schieben auf Einladung von Interkultur Ruhr ihre eigenen Visionen der kommenden Welt in den Ofen. In verschiedenen Städten des Ruhrgebiets gibt es im Sommer 2018 „Pizza Pangaea“.
"Pizza Pangaea" ist eine Aktion von Interkultur Ruhr in Kooperation mit The Laboratories of Manuel Bürger, der Youngsters-Akademie / Anne-Frank-Gesamtschule in Dortmund und fünf Pizzerien im Ruhrgebiet. Weitere Informationen > hier.