Die Banale
Die Banale
SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel
Die Banale
Ich habe viel in Filmen gelebt, mich selbst herausgeholt aus dem langweiligen Konstrukt, das sich Alltag nennt.
Filme wie „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ von Kaurismäki oder „Stranger than Paradise“ von Jarmusch haben mich gerettet und ich übertreibe wirklich nicht. Wie lässig Iris mit dem Gift umgeht und wie cool John Lurie sein TV-Dinner erklärt.
Ich besorge mir einen Presseausweis (wie immer über hundert Ecken) und fahre zur Berlinale.
Keanu Reeves ist in town und ich kenne niemanden, der ihn nicht für besonders hält und das gar nicht unbedingt als Schauspieler. Hollywood und überhaupt nicht Hollywood.
Ich kaufe mir eine Postkarte mit dem Berliner U-Bahnnetz, ersetze das „Berlin“ durch „Idaho“ (River fehlt!), warte bis die Pressekonferenz vorbei ist und gehe zu ihm.
Ich gebe ihm die Karte. Er sieht mich an und fragt: „What is that?“
Ich antworte nicht. Gucke nur. Er nimmt die Karte, liest sie und steckt sie sich in die Jackentasche. Dann schiebt mich ein Fotograf beiseite (ich merke mir sein Gesicht und will mich später rächen!) und alle verschwinden.
Keanu hat mich nicht erkannt.
Zitiere mich selbst, weil es sonst niemand tut:
„Nichts ist wie im Film, aber dafür gibt es ja Filme.“
Lütfiye Güzel ist eine aus Duisburg stammende Autorin und Dichterin aus dem Ruhrgebiet. Im Jahr 2014 erhielt sie den damals zum ersten Mal vergebenen „Fakir-Baykurt-Kulturpreis“ der Stadt Duisburg. 2017 wurde Güzel mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet. Seit 2014 bringt sie Gedichte unter ihrem eigenen Label go-güzel-publishing heraus. Ihre aktuellen Bücher „acceptdance“ und „Best of Chapbooks“ sind 2024 erschienen. In ihren Texten, Gedichten und Kurzprosa, reflektiert sie existenzielle Themen wie Herkunft, Einsamkeit oder Armut, die sie in Beobachtungen des Alltags an sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet einbettet.
go-güzel-publishing: https://luetfiye-guezel.tumblr.com
Weitere Folgen:
#1 Die Jury darf sich bei mir bewerben
#3 Als Teenager war ich intellektuell