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Als Teenager war ich intellektuell

SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel. Foto: Matthias Oertel

Als Teenager war ich intellektuell

von: 
Lütfiye Güzel

SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel

Als Teenager war ich intellektuell

 

Ich habe Dostojewski und Sartre gelesen
und Aufsätze über die Kennedy-Brüder geschrieben.
Freiwillig. Vielleicht habe ich nicht alles verstanden,
aber wer hat das schon?
„Der Fänger im Roggen“ von Salinger war schon damals mein Lieblingsbuch. Und auch meinen Test, Bücher alle paar Jahre wieder zu lesen, um zu sehen, ob sie bei mir noch landen können, besteht Holden Caulfield locker.
Die Gedichte von Bukowski tun das auch. Viele Bücher funktionieren später aber nicht mehr, so wie
„Der Steppenwolf“ von Hesse.
Ich hatte natürlich einen Büchereiausweis und hockte stundenlang an den hässlichen weißen Tischen unter dem hässlichen Licht, lief Treppen rauf und runter, sah mir Fotobände über die USA an und glaubte, dass sich nur dort das wahre Leben abspielt. Ich habe mich aber bis heute nicht in ein Flugzeug gesetzt und bin nicht nach New York oder San Francisco geflogen, um zu sehen, ob das wirklich so ist.
Wenn ich jetzt in die Bibliothek gehe, um irgendein Programm zu holen, dann bekomme ich schon am Eingang einen Müdigkeitsanfall und verlasse das Gebäude so schnell wie möglich.

Und die Gegenwartsliteratur? Ich weiß nicht.
Vieles quergelesen oder nur so getan als ob.
Bücher sind echt süper. Aber eben nicht alle.
Zitiere mich selbst, weil es sonst niemand tut:
„Ich sehe ein Stück Himmel, ein wenig Baum und da oben ein Flugzeug, in dem ich nicht sitze.“

 

Lütfiye Güzel ist eine aus Duisburg stammende Autorin und Dichterin aus dem Ruhrgebiet. Im Jahr 2014 erhielt sie den damals zum ersten Mal vergebenen „Fakir-Baykurt-Kulturpreis“ der Stadt Duisburg. 2017 wurde Güzel mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet. Seit 2014 bringt sie Gedichte unter ihrem eigenen Label go-güzel-publishing heraus. Ihre aktuellen Bücher sind „L-ABLA“ (2022) und „ich. soll. ruhiger. werden.“ (2023). In ihren Texten, Gedichten und Kurzprosa, reflektiert sie existenzielle Themen wie Herkunft, Einsamkeit oder Armut, die sie in Beobachtungen des Alltags an sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet einbettet.
 
go-güzel-publishing: https://luetfiye-guezel.tumblr.com

 

Weitere Folgen:

 

#1 Die Jury darf sich bei mir bewerben

#2 Die Angst als Warentrenner

#3 Als Teenager war ich intellektuell

#4 Ach Eule!

#5 Ich bin weder ein- noch ausgestiegen

#6 An sechs Tagen die Woche

 

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