Die Tauben sind nicht einsam
Die Tauben sind nicht einsam
SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel
Die Tauben sind nicht einsam
Ich beobachte fünf Tauben auf dem Spielplatz.
Sie machen sich über eine Pizzaschachtel her.
Da ist noch Käse dran. Die Tauben haben mich im Blick. Sie trauen mir keinen Zentimeter. Ich will sie nicht stören und drehe mich weg.
Stehe jetzt mit dem Rücken zu ihnen und schaue auf ein Eichhörnchen auf dem Autodach. Ich traue Eichhörnchen nicht. Sie sind irgendwie unloyal.
Eine Drehung weiter.
Ein Mann liegt im Sandkasten und schläft.
Bewegt drei Finger. Hört auf. Bewegt den Daumen. Hört auf.
Ich drehe mich wieder. Die Tauben sind weg.
Das Eichhörnchen auch. Nur der Mann liegt noch da.
Zitiere mich selbst, weil es sonst niemand tut:
„Das ist politisch. Einsamkeit, die langweilt.“
Lütfiye Güzel ist eine aus Duisburg stammende Autorin und Dichterin aus dem Ruhrgebiet. Im Jahr 2014 erhielt sie den damals zum ersten Mal vergebenen „Fakir-Baykurt-Kulturpreis“ der Stadt Duisburg. 2017 wurde Güzel mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet. Seit 2014 bringt sie Gedichte unter ihrem eigenen Label go-güzel-publishing heraus. Ihre aktuellen Bücher „acceptdance“ und „Best of Chapbooks“ sind 2024 erschienen. In ihren Texten, Gedichten und Kurzprosa, reflektiert sie existenzielle Themen wie Herkunft, Einsamkeit oder Armut, die sie in Beobachtungen des Alltags an sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet einbettet.
go-güzel-publishing: https://luetfiye-guezel.tumblr.com
Weitere Folgen:
#1 Die Jury darf sich bei mir bewerben
#3 Als Teenager war ich intellektuell