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Die Jury darf sich bei mir bewerben!

SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel. Foto: Matthias Oertel

Die Jury darf sich bei mir bewerben!

von: 
Lütfiye Güzel

SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel

Die Jury darf sich bei mir bewerben!

 

Einen undotierten Preis soll ich erhalten.
Die Institution will ein Zeichen gegen den
Kommerz-Kram setzen. Vorbildlich. Gut für das Kunst-Amt.
Schlecht für mich. Ich lehne ab. Ich schreibe Gedichte.
Klebe Bücher. Meine Eltern haben mir Liebe und
Erinnerungen hinterlassen. Vielleicht noch ein wenig Wut.
Was ich machen würde mit einem Preisgeld? Essen kaufen.
An einer Podiumsdiskussion soll ich teilnehmen.
Thema: „Wie schwer ist es als Dichterin
und Selbstverlegerin über die Runden zu kommen?“
Honorar für den Auftritt: Nix. Ich lehne ab.
Was ich mit der Gage machen würde? Essen kaufen.
Dialogfetzen werden über die Jahre im Kopf gesammelt.
„Ich habe auch einen Gedichtband verfasst.
Was mache ich jetzt damit? Hast du Tipps?“
„So etwas nennt sich Mentoring.
Ist ein Job.“
„Kannst du uns Künstler*innen empfehlen und
sie mal anschreiben? Lass mal ein bisschen brainstormen.“
„So etwas nennt sich kuratieren. Ist ein Job.“
Wer Kunst macht, soll ein romantisches Ideal hochhalten.
Nicht über Geld reden in einer Vierundzwanzig-Stunden-kapitalistischen-Welt. Ein wenig beobachten. Noch weniger stören. Nicht essen.
Ich gehe meinen Weg. Meistens zu Fuß.
Zitiere mich selbst, weil es sonst niemand tut:
„Sie drehen die Heizung auf, Mutter!
Ich hacke Holz, Vater!“

 

Lütfiye Güzel ist eine aus Duisburg stammende Autorin und Dichterin aus dem Ruhrgebiet. Im Jahr 2014 erhielt sie den damals zum ersten Mal vergebenen „Fakir-Baykurt-Kulturpreis“ der Stadt Duisburg. 2017 wurde Güzel mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet. Seit 2014 bringt sie Gedichte unter ihrem eigenen Label go-güzel-publishing heraus. Ihre aktuellen Bücher L-ABLA" und winterwütendwinter" sind 2022 erschienen. In ihren Texten, Gedichten und Kurzprosa, reflektiert sie existenzielle Themen wie Herkunft, Einsamkeit oder Armut, die sie in Beobachtungen des Alltags an sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet einbettet.
 
go-güzel-publishing: https://luetfiye-guezel.tumblr.com

 

Weitere Folgen:

 

#1 Die Jury darf sich bei mir bewerben

#2 Die Angst als Warentrenner

#3 Als Teenager war ich intellektuell

#4 Ach Eule!

#5 Ich bin weder ein- noch ausgestiegen

#6 An sechs Tagen die Woche

#7 Ekmek, bestes Geschenk!

 

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