Ach Eule!
Ach Eule!
SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel
Ach Eule!
Eine Konstante im Leben existiert eher selten. Alles, was von Bedeutung ist, radiert sich früher oder später irgendwie selbst aus. Persönliche „best places“, kleine Lichtblicke inmitten der Tristesse, die einen davon abhalten durchzudrehen oder einem zumindest die Zeit bis dahin erträglicher machen (und das
Durchdrehen wird kommen), verschwinden einfach. Weg. Weg. Weg.
Irgendwann im August entdecke ich eine Eule im Hinterhof.
Eule-Spotting und das jeden Tag. Ein kleines Ritual, viele Gespräche mit ihr und ein wenig in Sorge darüber,
dass sie sich sehr bald schon einfach in Luft auflösen könnte. Aus dem Nichts ins Nichts.
Ich erzähle niemandem davon. Besondere Ereignisse werden trivial, wenn ich sie teile und ich glaube, geteiltes Glück ist halbes Glück.
Zwei Wochen später, ich komme von einer Reise zurück, bemerke ich sehr schnell, dass die Eule verschwunden ist und mit ihr der komplette Baum. Doppeltes Leid. Blätter. Blätter. Blätter.
Es wäre schön, könnte ich verschwundenes mit einem Bleistift einfach zurück zeichnen.
Und ich zitiere mich selbst, weil es sonst niemand tut:
„Ich würde gerne mit jemandem sprechen, aber hier sind nur Menschen.“
Lütfiye Güzel ist eine aus Duisburg stammende Autorin und Dichterin aus dem Ruhrgebiet. Im Jahr 2014 erhielt sie den damals zum ersten Mal vergebenen „Fakir-Baykurt-Kulturpreis“ der Stadt Duisburg. 2017 wurde Güzel mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet. Seit 2014 bringt sie Gedichte unter ihrem eigenen Label go-güzel-publishing heraus. Ihre aktuellen Bücher sind „L-ABLA“ (2022) und „ich. soll. ruhiger. werden.“ (2023). In ihren Texten, Gedichten und Kurzprosa, reflektiert sie existenzielle Themen wie Herkunft, Einsamkeit oder Armut, die sie in Beobachtungen des Alltags an sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet einbettet.
go-güzel-publishing: https://luetfiye-guezel.tumblr.com
Weitere Folgen:
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#3 Als Teenager war ich intellektuell