Die Langeweile is key
Die Langeweile is key
SÜPERDEPRESYON. Die einsame Kolumne von Lütfiye Güzel
Die Langeweile is key
Langeweile ist unterschätzt. Wenn ich sie aushalte und mich in sie reindrehe, so richtig tief, dann nimmt sie langsam und plötzlich Form an und wird zu einem kreativen Motor. Anfangs attackiert mich dieser Überdruss, diese Reizlosigkeit der Dinge und Menschen, manchmal ein Synonym, aber dann kippt das Ganze und die Nerven werden gekitzelt, die Räume größer. Alles bekommt Konturen, eine Klarheit, einen Ausblick.
Vielleicht will mir jemand aber auch eine Falle stellen (wer stellt diese Falle?) und mein schlechtes Gewissen soll sich melden, Druck ausüben, wenn ich mich langweile.
Langeweile bedeutet für viele Menschen Stillstand. Sie ist ineffektiv, unproduktiv, macht keine Kasse und darum soll es ja oft gehen, um das Funktionieren, das Produzieren, das Addieren.
Ich weigere mich, das zu glauben.
Zitiere mich selbst, weil es sonst niemand tut:
„Mit abgezählten Schritten Richtung Bett. Das ist eine Art der persönlichen Weltaneignung.“
Lütfiye Güzel ist eine aus Duisburg stammende Autorin und Dichterin aus dem Ruhrgebiet. Im Jahr 2014 erhielt sie den damals zum ersten Mal vergebenen „Fakir-Baykurt-Kulturpreis“ der Stadt Duisburg. 2017 wurde Güzel mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet. Seit 2014 bringt sie Gedichte unter ihrem eigenen Label go-güzel-publishing heraus. Ihre aktuelles Buch „wem gehören die tauben“ (best of chapbooks) ist 2025 erschienen. In ihren Texten, Gedichten und Kurzprosa, reflektiert sie existenzielle Themen wie Herkunft, Einsamkeit oder Armut, die sie in Beobachtungen des Alltags an sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet einbettet.
go-güzel-publishing: https://luetfiye-guezel.tumblr.com
Weitere Folgen:
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#3 Als Teenager war ich intellektuell
#5 Ich bin weder ein- noch ausgestiegen
#9 Die Tauben sind nicht einsam
#10 Die Frau sitzt auf der Matratze
#12 Mein Vater war der Trödelking
#16 Dieses Viertel ist ein Zuhause

